Notfallseelsorge

20 Jahre von Mensch zu Mensch

Vor den Kirchenbänken stehen die vier neuen Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger in einer Reihe. Iris Espenlaub übergibt der Reihe nach die Urkunden.

Iris Espenlaub, Leiterin der Notfallseelsorge im Landkreis Biberach, überreicht den vier Neuen die Beauftragungsurkunde - Foto: DRS/Waggershauser

Mit ehrenamtlichen Notfallseelsorgerinnen und -seelsorgern gingen die Kirchen im Landkreis Biberach damals bundesweit voran.

Der schwere Busunfall im Jahr 1992 in Donaueschingen und das Zugunglück von Eschede 1998 forderten vielen Tote und Verletzte. Und sie zeigten nachdrücklich, dass die Versorgung der Opfer nur die eine Seite der Nothilfe ist. Auch Angehörige und die Einsatzkräfte selbst brauchen in solchen Situationen Menschen, die für sie da sind, die zuhören und Halt geben. In der Folgezeit organisierten Kirchen und Hilfsorganisationen in vielen Kreisen die Notfallseelsorge.

Biberach gehörte nicht zu den Vorreitern in der Region. "Wir sind aber der erste Landkreis, der das mit Ehrenamtlichen aufgezogen hat", bemerkt Hans-Jürgen Hirschle, katholischer Diakon und damals Klinikseelsorger in Bad Buchau, im Blick auf die Anfänge. In früherer Zeit habe in Notfällen jemand am Pfarrhaus geklingelt und den Geistlichen gerufen. Aber schon zu Beginn des Jahrtausends waren etliche Pfarrhäuser nicht mehr besetzt und die verbliebenen Priester konnten die Organisation einer verlässlichen Bereitschaft nicht stemmen.

Laien als Seelsorgerinnen und Seelsorger

Druck kam unter anderem von den Rettungsdiensten. "Für uns war es wichtig diese Unterstützung zu bekommen, etwa bei der Überbringung von Todesnachrichten", erklärt Helmut Sontheimer, damals psychosozialer Berater bei der Polizei und heute selbst Notfallseelsorger. Der evangelische Polizeipfarrer Friedrich Lechner und Dekanatsreferent Berthold Seeger von katholischer Seite brachten schließlich die Notfallseelsorge in ökumenischer Kooperation, in enger Zusammenarbeit mit den Blaulichtkräften und mit Unterstützung des Landkreises Biberach auf den Weg. Dabei sei es nicht so einfach gewesen der Diözesanleitung klarzumachen, dass auch theologische Laien Seelsorge machen können, erinnert sich Seeger.

Am 16. Januar 2002 erhielten die ersten Ehrenamtlichen nach einer ausführlichen Qualifikation in der Biberacher Simultankirche St. Martin ihre Aussendungsurkunden. Genau 20 Jahre später dankten die beiden Dekane Sigmund F.J. Schänzle und Matthias Krack in einem ökumenischen Gottesdienst am selben Ort den vielen, die diesen Dienst seither mit Leben füllten und füllen. Schänzle verwies auf die Erfolgsgeschichte des Biberacher Modells, sein evangelischer Kollege sah in seiner Predigt die engagierten Christinnen und Christen im Auftrag Jesu unterwegs, wenn sie Wege aus der Aussichtslosigkeit aufzeigten und Mut machten.

Notfallseelsorger sind Engel

Sehr persönlich formulierte der Biberacher Landrat Heiko Schmid am Ende der Feier seinen Dank an die Notfallseelsorge. Der Seepark Linzgau war sein Herzensprojekt als damaliger Bürgermeister von Pfullendorf im Nachbarkreis Sigmaringen. Drei Tage nach der Einweihung im Juni 2001 ertrank ein knapp zweijähriger Junge, als eine überladene Solarfähre auf dem See kenterte. Die Anwesenheit der Seelsorgerinnen und Seelsorger weiß er bis heute zu schätzen - für die Angehörigen wie für sich selbst. "Sie sind Engel", sagte er in Anspielung auf das Symbol, das neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Aussendung erhalten.

Dieses himmlische Zeichen und die Urkunde überreichte Iris Espenlaub, seit 2016 Leiterin der Notfallseelsorge im Landkreis Biberach, im Gottesdienst zwei Männern und zwei Frauen, die in diesem Jahr zu den etwa 30 Kolleginnen und Kollegen in der psychosozialen Akuthilfe dazustoßen. Elf weitere Personen befinden sich derzeit in Ausbildung. Espenlaub selbst hatte beim Deutschen Roten Kreuz früher ähnliche Aufgaben. Sie geriet selbst in Notfall- und Krisensituationen, wo sie sich solche Seelsorgerinnen und Seelsorger gewünscht hätte. So gehörte sie seit der Gründung zum Team.

Einsatz auch im Ahrtal

"Wir sind keine Psychologen, aber wir haben ein qualifiziertes Ehrenamt", betont Espenlaub und verweist auf das Motto "Von Mensch zu Mensch". Nach der Ausbildung haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, in kollegialen Fallbesprechungen ihr Handeln zu reflektieren sowie als Einzelne oder als Gruppe eine Supervision in Anspruch zu nehmen. Im vergangenen Jahr waren die Seelsorgerinnen und Seelsorger 145-mal bei Hilfsbedürftigen vor Ort - und auch im Ahrtal. An ihren ersten Einsatz nach dem Tod einer jungen Mutter erinnert sich Espenlaub noch genau. Und 20 Jahre später stellt sie ohne Zögern für sich fest: "Das war der richtige Weg."

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